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7 Fragen zu globalen Handelsrisiken & Schweizer Geschäftschancen in unsicheren Zeiten

Die Schweiz ist laut IMD World Competitiveness Ranking 2025 die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt. Das trotz moderatem BIP-Wachstum und steigenden Insolvenzen in wichtigen Branchen. Die globale Lage ist unsicher. Politische Veränderungen in den USA und Handelsspannungen stellen Schweizer Exporteure vor grosse Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnen sich auch neue Chancen. In diesem Interview erklärt Christian Moins, CEO von Coface Schweiz, wie Unternehmen Risiken besser managen und in dieser turbulenten Zeit erfolgreich wachsen können.

1) US-Wahlunsicherheit: Wie Coface Schweizer Firmen im Handelsstreit mit den USA unterstützt

Die Schweiz kämpft derzeit um eine Lösung im Zollstreit mit den USA. Wie konkret unterstützt Coface Schweizer Unternehmen bei der Absicherung ihrer Forderungen in diesem unsicheren Handelsumfeld, und wie hat sich die Nachfrage nach Ihren Kreditversicherungslösungen seit Beginn der Zollkrise entwickelt?

Noch verzeichnen wir keinen signifikanten Anstieg der Nachfrage nach Kreditversicherungslösungen seitens Schweizer Unternehmen in der Beziehung mit den USA. Das liegt an der Tatsache, dass noch keine konkreten Beschlüsse in den Zollverhandlungen getroffen worden sind und die Marktteilnehmer sich deshalb in einer abwartenden Haltung befinden. 

Der Bundesrat hat jüngst ein Verhandlungsmandat, das von den Aussenpolitischen Kommissionen beider Kammern des Schweizer Parlaments gebilligt wurde, verabschiedet, um die laufenden Handelsgespräche mit den USA noch vor Ablauf der 90-tätigen Zollpause abzuschliessen. 

Primäres Ziel ist die Abschaffung der 31%igen Zusatzzölle, die die Schweizer Exporte potenziell beeinträchtigen, und die Schaffung stabilerer und berechenbarerer Handelsbeziehungen mit den USA. 

Bei Coface stellen wir Unternehmen Tools zur Verfügung, um diese herausfordernde Situation zu bewältigen - von Informationen bis hin zu Versicherungen. Unsere Experten hier in der Schweiz und in den USA sind nah an den Risiken und stets bereit zu helfen.

 

2) Indiens Handelsdynamik: Chancen, Kreditrisiken und Zahlungsverhalten

Nach dem TEPA-Abkommen erwarten Schweizer Unternehmen deutliche Zollsenkungen. Wie schätzen Sie die Kreditrisiken auf dem indischen Markt ein? Welche konkreten Zahlen zu Zahlungsausfällen und Versicherungsdeckung können Sie für Schweizer Unternehmen nennen, die nach Indien exportieren möchten?

Als einer der wichtigsten Partner der Schweiz in Asien mit zahlreichen bilateralen Abkommen in verschiedenen Bereichen und Schweizer Exporten in Höhe von 14,4 Milliarden Franken in 2022 verdient Indien in der Tat ein besonderes Augenmerk. 

Wir bewerten Indiens Länderrisiko mit B, d. h. mit einem relativ hohen Risiko, was für ein Entwicklungsland dennoch eine vergleichsweise gute Bewertung darstellt. Wir analysieren das Zahlungsverhalten der Unternehmen in unserer jährlichen Zahlungserfahrungsstudie für den asiatisch-pazifischen Raum. Dort zeigt sich, dass in der von uns durchgeführten Umfrage nur 36 % der Unternehmen in Indien im Jahr 2024 Zahlungsverzögerungen meldeten, verglichen mit 65 % im Jahr 2023. 

Zum Vergleich: Die beiden Länder mit den meisten Unternehmen, die 2024 Zahlungsverzögerungen meldeten, waren Australien und Thailand (jeweils 65 %). Sollten Zahlungsverzögerungen auftreten, haben sich diese für Indien von durchschnittlich 66 Tagen im Jahr 2023 auf 56 Tage im Jahr 2024 verkürzt, womit Indien im asiatisch-pazifischen Raum im Mittelfeld liegt. 

In Indien haben wir ein Team vor Ort mit Nähe zum Risiko, mit dem wir in direktem Kontakt stehen. So können wir unseren Kunden, die erwägen, im Land Geschäfte zu machen, eine bestmögliche Beratung bieten.

 

3) Trading mit China 2025: Risiken einschätzen, Chancen nutzen

Zwischen März 2024 und März 2025 stiegen die Exporte Chinas in die Schweiz um 72,1 Millionen Dollar (12,5%). Parallel dazu nehmen geopolitische Spannungen und strukturelle Risiken weiter zu. Wie bewertet Coface aktuell das Länderrisiko Chinas, und welche Veränderungen in der Risikobewertung haben Sie in den letzten 18 Monaten vorgenommen?

Grundsätzlich umfasst die Länderrisikobewertung sowohl das strukturelle als auch das zyklische Risiko eines Landes. 

Beides hat sich im Fall von China in den letzten eineinhalb Jahren nicht ausreichend verändert, weshalb wir auch Chinas Länderrisiko unverändert bei B belassen haben. Obwohl wir insbesondere bei der Binnennachfrage aufgrund der geplatzten Immobilienblase eine wirtschaftliche Schwäche beobachten, bleibt das Wachstum dank staatlicher Subventionen robust. 

Jedoch zeigt die Coface-Umfrage zum Zahlungsverhalten von Unternehmen in China aus dem Jahr 2024 eine wachsende Vorsicht bei Lieferanten. Diese verlängern angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit die Zahlungsziele, was sich positiv auf einen nur geringfügigen Anstieg der Zahlungsverzögerungen von 64 auf 65 Tage ausgewirkt hat.

Zählt man jedoch Zahlungsverzögerungen zu den Zahlungszielen hinzu, erhöhte sich die durchschnittliche Wartezeit zwischen Produktlieferung und Zahlungseingang von 133 Tagen im Jahr 2023 auf 141 Tage im Jahr 2024. Von den Befragten mit extrem langen Zahlungsverzögerungen (ULPDs, über 180 Tage) gab fast die Hälfte einen Zahlungsverzug von mehr als 2 % des Jahresumsatzes an. Dieser Anteil stieg deutlich gegenüber 33 % im Jahr 2023 und implizierte ein erhöhtes Zahlungsausfallrisiko.

 

4) Konjunktur in Deutschland & der EU: Auswirkungen auf den Schweizer Export

Der ifo-Geschäftsklimaindex zeigt für Deutschland im April 2025 nur einen leichten Anstieg auf 86,9 Punkte, während die Unsicherheit unter Unternehmen zugenommen hat. Wie wirkt sich die anhaltende Schwäche der deutschen Wirtschaft auf Schweizer Exporteure aus, und welche quantitativen Veränderungen beobachten Sie bei den Kreditrisiken für Schweizer Unternehmen, die nach Deutschland exportieren?

In der Beurteilung von Deutschland und der deutschen Wirtschaft sehen wir mittlerweile vor allem Chancen für Schweizer Unternehmen. 

Trotz der hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit, die in Deutschland im April einen historischen Höchststand erreichte, steigt das ifo Geschäftsklima seit Anfang 2025 kontinuierlich an. Mit 87,5 Punkten kletterte der Index im Mai auf den höchsten Stand seit Juni 2024. 

Die verbesserte Stimmung spiegelt sich auch in den Konjunkturdaten wider. Das BIP-Wachstum in Deutschland war im ersten Quartal 2025 überraschend robust und stieg gegenüber dem Vorquartal um 0,4%. Einige Punkte sind wahrscheinlich auf die Vorzieheffekte der Anfang April angekündigten US-Zölle zurückzuführen. Insgesamt haben sich der private Konsum sowie die Ausrüstungs- und Bauinvestitionen wieder belebt. 

Die Erwartung unterstützender Massnahmen der neuen Regierung, die im Februar gewählt und im Mai vereidigt wurde, hat die Erwartungen neu belebt. So entsteht ein Infrastruktur-Investitionspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro vor der Implementierung, von der auch ausgesuchte Schweizer Unternehmen profitieren sollten. 

Grundsätzlich sollten sich Schweizer Exporteure über eine langsame, wenn auch verhaltene Erholung der deutschen Wirtschaft freuen.

 

5) Politische Risiken nehmen zu – Folgen für Export und Versicherungskosten

Im Coface-Risikomodell ist das politische Risiko ein zentraler Bewertungsbaustein. Welche drei Länder oder Regionen weisen aktuell die grössten Verschlechterungen in der politischen Risikobeurteilung auf, und wie wirkt sich dies konkret auf die Absicherungskosten für Schweizer Exporteure aus?

Wir erstellen den politischen Risikoindex jährlich, jeweils im Oktober. Im Oktober 2024 verzeichneten das Westjordanland und der Gazastreifen sowie Sudan und Tunesien die grössten Veränderungen gegenüber dem Vorjahresmonat. 

Im ersten Fall ist der Krieg im Gazastreifen der Haupttreiber. 

Im Sudan ist der Bürgerkrieg zwischen der regulären Armee und der paramilitärischen Miliz der Rapid Support Forces (RSF) eskaliert. Staatliche Strukturen sind zusammengebrochen, und über 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. 

Die Wirtschaftskrise in Tunesien hat sich aufgrund hoher Inflation und Arbeitslosigkeit verschärft. Dies hat zu zunehmenden Protesten geführt, während Präsident Said die Gewaltenteilung zunehmend untergräbt. 

Wir bewerten Gaza und Sudan als E-Länder/-Regionen (d. h. mit extrem hohem Risiko) und versichern sie hier nicht. 

In Tunesien sind die Versicherungskosten aufgrund der Länderrisikobewertung C höher.

 

6) Globale Lieferketten unter Druck – Coface bewertet Risiken für Schweizer Unternehmen

Die Daten von Resilinc zeigen einen dramatischen Anstieg der Lieferkettenunterbrechungen um 38% im Jahr 2024. Welche spezifischen Massnahmen hat Coface implementiert, um Schweizer Unternehmen gegen diese erhöhten Risiken abzusichern, und wie haben sich diese Störungen quantitativ auf die Schadensquote in Ihrer Branche ausgewirkt? 

Obwohl wir keine Betriebsunterbrechungsversicherung anbieten, leisten wir durch unsere Daten, Analysen und Beratungskompetenz einen wichtigen Beitrag zur Beurteilung der Resilienz von Lieferketten und der Bonität und Stabilität von Lieferanten. Mit Coface können Sie Risiken entlang der gesamten Lieferkette – von Tier 1 bis Tier 3 – einschätzen.

Mittels unserer Frühwarnsysteme können Lieferanten mit potenziellen finanziellen Problemen identifiziert werden, um Zahlungsausfälle frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Zusätzliche makroökonomische Indikatoren und Informationen sorgen für eine Erweiterung der Perspektive.

 

7) Von Daten zu Entscheidungen: Wie Coface KI in die Kreditprüfung einbindet

Die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz hat auch in Ihrem Geschäftsumfeld massive Änderungen zur Folge. Wie integrieren Sie Künstliche Intelligenz und moderne Modellierungstechniken in Ihre Daten-und Scoring-Fähigkeiten?

Bei Coface treffen wir täglich rund 12.000 Kreditentscheidungen in 200 Ländern. Technologie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Seit 1946 sammeln, verfeinern und analysieren wir Daten. Unsere Datenerfassung umfasst verschiedene Quellen in jedem Land und wird mit unseren eigenen Erkenntnissen angereichert. 

Coface bietet mehr als nur Daten: Die gebündelte Expertise unserer Underwriter, Kreditanalysten, Ökonomen und Datenwissenschaftler transformiert Big Data in Smart Data und entwickelt einzigartige Risikomanagementlösungen. Diese umfassende Datenerfassung führt zu Kreditrisikobewertungen und Kreditgutachten zu Unternehmen. 

Die Verwaltung von 700 Milliarden Euro ausstehender Kredite erfordert aktuelle Daten, um Frühwarnungen zu erkennen. Daher ist die Leistung unserer Scores von entscheidender Bedeutung. Wir nutzen und investieren laufend in KI- und Machine-Learning-Modelle, um unsere Scoring-Leistung kontinuierlich zu verbessern und unsere Datenquellen kontinuierlich anzureichern, um die Ergebnisse zu optimieren. 

So verbessern wir Entscheidungsfindung, Rückverfolgbarkeit und Transparenz für alle Beteiligten. Diese hochentwickelte Fabrik wird durch KI und Technologie angetrieben. 

Die Qualität unserer Daten, kombiniert mit neuen Technologien und menschlicher Expertise, bildet den Kern unseres Leistungsversprechens an Kunden, Partner und Teams. Unsere globalen Datenbestände bilden die Grundlage unserer Kreditentscheidungen und Informationsdienste. Unsere Initiativen zielen darauf ab, diese Ressourcen zu erweitern und die Abdeckung durch einen Multi-Sourcing-Ansatz zu erweitern. So stellen wir für jede Region und jedes Geschäftsfeld die besten Daten bereit. Dies ermöglicht detaillierte Risikobewertungen und prädiktive Informationen. 

Darüber hinaus entwickeln wir unsere Konnektivitätslösungen weiter und bieten Kunden und Partnern direkte Schnittstellen zwischen ihren Arbeitsumgebungen und unserem Ökosystem. Wir führen schrittweise einen Katalog von APIs und spezialisierter CMS-Software für alle Aktivitäten und Beteiligten ein, darunter Kunden, Makler, Partner und nicht versicherte Dritte.

 

Von Vermutungen zu klaren Entscheidungen

Der globale Handel wird immer komplexer – und eins ist sicher: Auf Vermutungen zu setzen, reicht nicht mehr aus. Schweizer Unternehmen brauchen verlässliche, aktuelle Einblicke, um mit Sicherheit die richtigen Schritte zu gehen. Bei Coface Schweiz helfen wir Exporteuren, den Wandel zu schaffen – weg vom Reagieren hin zum aktiven Gestalten. Mit fundierten Daten, langjähriger Erfahrung und maßgeschneiderten Lösungen machen wir Unternehmen widerstandsfähig und fit für den Markt von morgen. Denn Resilienz ist heute kein Buzzword, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor im täglichen Geschäft.

 

Über Christian Moins

Christian Moins ist Country Manager von Coface Schweiz und Generalagent der FINMA-regulierten Versicherungsgesellschaft. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im internationalen Kredit- und Sachversicherungsgeschäft kennt er die Herausforderungen und Chancen des Marktes genau.

Im Verwaltungsrat und Risikoausschuss von Coface Re SA bringt er seine Expertise in Strategie und Risikomanagement aktiv ein. Christian ist bekannt für seine offene und zukunftsorientierte Führung. Er hat große Veränderungen im Unternehmen erfolgreich begleitet und setzt dabei auf mehr Effizienz und Innovation. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich auch ehrenamtlich als Schulrat an einer Privatschule.

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