#Wirtschaftsstudien

Vertrauenskrise gefährdet Deutschlands Wirtschaftsagenda

Die neue Bundesregierung steht bei der Umsetzung ihrer Wirtschaftsstrategie vor erheblichen Herausforderungen – insbesondere aufgrund eines wachsenden Vertrauensdefizits. Dennoch deuten Prognosen auf ein leichtes Wirtschaftswachstum hin.

Politische Unsicherheit belastet Konjunkturaussichten

Bundeskanzler Friedrich Merz muss seine wirtschaftspolitische Agenda unter wachsendem Misstrauen im Parlament und in der Bevölkerung durchsetzen. Seine Wahl am 6. Mai erfolgte erst im zweiten Wahlgang – ein Zeichen für die fehlende Rückendeckung im Bundestag und ein potenzielles Risiko für die wirtschaftliche Stabilität.

Merz führt eine Koalition aus CDU und SPD, wobei Letztere aktuell nur die drittstärkste Kraft im Bundestag stellt. Mit einer knappen Mehrheit wurde die Koalition nach dem Zerbrechen der vorherigen Regierung gebildet. Die CDU gewann die Wahl mit 28,5 Prozent der Stimmen; die SPD blieb der einzige realistische Partner abgesehen von der AfD, was die politische Lage zusätzlich erschwert.

Umstrittene Entscheidungen schüren Misstrauen

Die Koalition steht wegen mehrerer umstrittener Entscheidungen unter Druck – darunter eine Kehrtwende bei der Schuldenbremse und eine Zusammenarbeit mit der AfD in einer Migrationsfrage. Zudem stösst Merz’ direkter Politikstil parteiübergreifend auf Kritik. Beobachter vermuten, dass seine Wahl eher durch Angst vor Neuwahlen motiviert war, bei denen die AfD laut Umfragen als stärkste Kraft hervorgehen könnte.

Auch das Vertrauen der Bevölkerung bleibt gering: 73 Prozent der Befragten gaben an, Merz habe sie in die Irre geführt, nur 44 Prozent halten ihn für geeignet als Kanzler. Dies könnte Investitionsentscheidungen verzögern und die Konsumlaune weiter dämpfen.

Strukturelle Schwäche der deutschen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft stagniert seit Jahren. Die Industrie befindet sich seit 2018 in einer Rezession, und seit Mitte 2023 war allein der öffentliche Sektor für Wachstum verantwortlich. Externe Faktoren wie US-Zölle und fehlende Innovationsimpulse könnten die Lethargie verlängern.

Neue Massnahmen mit Finanzierungsrisiken

Die Regierung plant wirtschaftliche Impulse durch Steuererleichterungen, Energiezuschüsse und Arbeitsmarktreformen:

  • Ab 2027 sollen Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen steuerlich entlastet werden.
  • Unternehmen profitieren von niedrigeren Unternehmens- und Stromsteuern (EU-Mindestniveau).
  • Energieintensive Branchen erhalten Unterstützung bei Energiepreisen.
  • Die Autoindustrie sowie E-Mobilität werden gezielt gefördert.
  • Flexiblere Arbeitszeiten und ein höherer Mindestlohn sollen Produktivität und Kaufkraft steigern.

Die Finanzierung dieser Massnahmen ist jedoch unsicher: Experten rechnen mit einer Finanzierungslücke von rund 50 Milliarden Euro. Die Diskussion um eine Reform der Schuldenbremse ist erneut entbrannt. Derzeit sind Verteidigungsausgaben von über 1 Prozent des BIP ausgenommen. Ein Sonderfonds von 500 Milliarden Euro ist für Infrastruktur und Klimaschutz vorgesehen, was die Staatsverschuldung von derzeit 62,5 auf 80 Prozent anheben könnte.

Konjunkturprognose: Leichtes Wachstum 2025 erwartet

Wenn die geplanten Massnahmen zügig umgesetzt werden, könnte das Wirtschaftswachstum von derzeit 0,4 Prozent auf über 1 Prozent steigen. Öffentliche Investitionen, Fachkräftezuwanderung und Steuerentlastungen gelten als Haupttreiber. Für 2025 wird ein BIP-Wachstum von 0,2 Prozent prognostiziert; die Risikoeinschätzung liegt bei einem zufriedenstellenden A3.

Auswirkungen auf die Schweiz

Als grösster Handelspartner der Schweiz beeinflusst die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands massgeblich Exporte, Investitionen und das Geschäftsklima. Eine anhaltende Unsicherheit in Deutschland könnte sich negativ auf die wirtschaftliche Lage in der Schweiz auswirken.

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