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Deutschland: Unternehmensinsolvenzen auf dem Vormarsch

Im vergangenen Jahr sind die Unternehmensinsolvenzen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland um 22,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Trotz dieses starken Anstiegs handelt es sich lediglich um eine Normalisierung auf Vor-Pandemie-Niveau. Denn mit einer Gesamtanzahl von 17.814 Insolvenzen lag der Wert des Jahres 2023 noch immer unter dem Stand aus dem Jahr 2019, als 18.749 Firmenpleiten registriert wurden. Dennoch: Der Trend hat sich gedreht und die Zeit der unverhältnismässig niedrigen Insolvenzzahlen scheint vorbei zu sein. Die Regelinsolvenzverfahren für die ersten Monate des Jahres 2024 zeigen auf, dass noch deutlich mehr Insolvenzen in der Pipeline sind.

Lange hatte es so ausgesehen, als ob sich in der deutschen Unternehmenslandschaft nicht viel ändern würde. Deutlich vor Beginn der Coronapandemie nahm die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland kontinuierlich ab und erreichten 2019 einen Tiefststand. Mit der Pandemie kamen diverse Unterstützungsmaßnahmen der Regierung – verbunden mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zwischen Frühjahr 2020 und Sommer 2021. Die Insolvenzzahlen erreichten neue Rekord-Tiefstwerte und legten erst wieder zögerlich zu, als die staatlichen Hilfsmassnahmen zur Bekämpfung der Pandemiefolgen Mitte 2022 ausgelaufen waren. Das Jahr 2023 stellt somit das erste Jahr seit Beginn der Pandemie dar, in dem deutlich weniger Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung standen – obwohl auch hier der Staat mit Blick auf die hohen Energiepreise zu Jahresanfang noch unterstützend eingriff (Grafik 1). 

 

Grafik 1: Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland pro Monat
(Quelle: Destatis, Macrobond, Coface)

 

Germany insolvencies per month and per year

 

gross- und Einzelhandel und Baugewerbe mit meisten Pleiten

Angesichts der schwachen Konjunkturaussichten in Deutschland war ein Anstieg der Insolvenzen erwartet worden. „Die meisten Insolvenzen gab es wie jedes Jahr im Baugewerbe und im Groß- und Einzelhandel. Das sind die Branchen, in denen traditionell die meisten Insolvenzen stattfinden, da auch die meisten Unternehmen in Deutschland zu diesen Branchen zählen“, sagt Christiane von Berg, Coface-Volkswirtin für Deutschland. „Betrachtet man allerdings die Insolvenzquote, also die Anzahl der Insolvenzen je 10.000 Unternehmen, dann liegt der Bereich Verkehr und Lagerei mit 106,5 Insolvenzfällen ganz vorne“, so von Berg. Deutschlandweit erreichte die Quote – über alle Branchen hinweg – von 52,5 Insolvenzen je 10. 000 Unternehmen. Ebenfalls über dem Durchschnitt lag die Branche „sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“, zu denen zum Beispiel Zeitarbeitsfirmen zählen, mit 84,9 Pleiten, das Baugewerbe (79,9), das Gastgewerbe (72,3) und das Verarbeitende Gewerbe mit 63,5 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen.

 

138 Insolvenzen mit Forderungen von mehr als 25 mio. eur.

Unternehmensinsolvenzen sind mit unterschiedlichen Risiken verbunden, wobei die eigentliche Gefahr oft in den zu erwartenden Forderungen aus diesen Insolvenzen besteht. Diese beliefen sich im Jahr 2023 auf 26,6 Mrd. Euro, was einem Anstieg von 85 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 entspricht. Der große Sprung in den Forderungen ist der Tatsache geschuldet, dass im Jahr 2022 die Forderungen ungewöhnlich gering ausfielen (vgl. Grafik 2). Im Jahr 2023 wurde ein Forderungsstand nahe dem von 2019 erreicht. Die Diskrepanz zwischen dem Anstieg der Zahl der Insolvenzen und der Höhe der Forderungen ist auf eine höhere Anzahl von Großinsolvenzen zurückzuführen. So gab es 2023 insgesamt 138 Insolvenzen mit Forderungen von mehr als 25 Mio. EUR, was einem Anstieg von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

 

Grafik 2: Erwartete Forderungen aus Insolvenzen in Deutschland, in Mrd. EUR
(Quelle: Destatis, Coface)

Expected claims  for insolvencies in Germany

 

Eine Reihe von Anzeichen deutet darauf hin, dass dieser Anstieg von Zahl und Umfang der Insolvenzen erst der Anfang ist. Dazu gehören die bereits bekannten Anträge auf Regelinsolvenzverfahren für Januar und Februar 2024. Diese Verfahren gelten sowohl für Unternehmen als auch für Selbstständige und können mangels Masse abgewiesen werden. Dennoch zeigt dieser Indikator, dass allein zu Beginn des Jahres ein Anstieg der Insolvenzen um 22% gegenüber dem Vorjahr möglich ist. Dies wäre nicht verwunderlich, da die Wirtschaft in Deutschland seit Anfang 2022 nicht mehr wächst und die Unternehmen zunehmend unter Druck geraten. Hohe Lohnforderungen - oft über 10 % im Vergleich zum Vorjahr - oder kürzere Arbeitszeiten führen zu hohen Lohnkosten und stellen in Verbindung mit gestiegenen Finanzierungskosten eine erhebliche Belastung für die Unternehmen dar. Nimmt man all diese Risikofaktoren zusammen, so wird für das Jahr 2024 insgesamt ein weiterer Anstieg der Unternehmensinsolvenzen auf deutlich über 19.000 Unternehmen erwartet.

 

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