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Britische Unternehmen leiden unter Zahlungsverzögerungen

In Grossbritannien kämpfen laut dem 2025 United Kingdom Payment Survey von Coface fast alle Unternehmen mit Zahlungsverzögerungen. Zudem steigen Zwangsliquidationen, obwohl die Insolvenzen gesamthaft zurückgehen und sich die wirtschaftlichen Aussichten positiv entwickeln.

Zahlungsverzögerungen in Grossbritannien häufen sich laut einer Erhebung von Coface. Die Fachleute des Kreditversicherers und Risikomanagers machen als Gründe eine abkühlende Konjunktur und hohe sowie steigende Kosten aus. Mit dem 2025 United Kingdom Payment Survey hat Coface zum ersten Mal das Zahlungsverhalten in Grossbritannien erhoben und dafür im Juli 2025 fast 700 Unternehmen befragt. Demnach liegt der durchschnittliche Verzug bei knapp 32 Tagen, und mehr als ein Viertel der Unternehmen beobachtet, dass der Trend zu verspäteten Zahlungen sich verstärkt. Generell haben 90 Prozent der Unternehmen im vergangenen Jahr Verzögerungen erlebt – ein im internationalen Vergleich bemerkenswert hoher Anteil, heisst es. In Frankreich liegt er bei 85, in Deutschland bei 81, in Asien und Lateinamerika bei rund 50 Prozent.

Mit einer durchschnittlichen Zahlungsfrist von 51 Tagen zieht Grossbritannien mit Frankreich gleich. In der Asien-Pazifik-Region herrschen längere Fristen von rund 65 Tagen, doch bereits Lateinamerika liegt mit 53 Tagen nur leicht höher. In Deutschland hingegen ist eine Zahlungsfrist von 32 Tagen üblich.

Zahlungsverzögerungen markieren einen Trend

Die Coface-Fachleute betrachten diese Entwicklungen als breit angelegten Trend. Ein Zeichen hierfür sei, dass rund die Hälfte der grossen sowie auch Kleinst- und Kleinunternehmen im vergangenen Jahr längere Fristen eingeführt hätten. Das bedeute insbesondere für kleine Firmen eine grosse Anstrengung, da sie mit eng kalkulierten Liquiditätsspielräumen arbeiteten. Nur 10 Prozent von ihnen bieten Fristen über 90 Tage an, unter den Grossunternehmen liegt der Anteil bei 20 Prozent.

Mit Blick auf die Wirtschaftsbereiche ist der Automobil- und Transportsektor mit 95 Prozent am stärksten betroffen. Zudem stechen Unternehmen aus dem Baubereich hervor, von denen 93 Prozent Verzögerungen beobachteten und die mit 38,2 Tagen auch am längsten auf die Begleichung der Rechnungen warten mussten. Über alle Branchen hinweg werden als Grund für die Verspätung hauptsächlich finanzielle Schwierigkeiten angegeben, wobei auch operative Themen und Zahlungsaufschübe unabhängig von Liquiditätsproblemen eine Rolle spielen.

Bei Insolvenzen ist der Höhepunkt überschritten 

Die Insolvenzentwicklung ist laut Coface zum Teil ein Zeichen der Entspannung. Die Phase rekordhoher Insolvenzzahlen zwischen Juli 2023 und Juli 2024 scheint zwar ein Ende gefunden zu haben, denn im Folgejahr ist die Zahl um mehr als tausend auf rund 25’400 Unternehmen gesunken. Die Fachleute bemerken jedoch: „Trotz des Rückgangs hält ein besorgniserregender Trend an“ und dabei beziehen sie sich auf 4200 Zwangsliquidationen zwischen Juni 2014 und Juni 2025, was einer Steigerung von 12,3 Prozent gleichkommt. Gefährdet sind hier unter anderem Unternehmen im Produktionsbereich, die laut Coface unter hohen Energiepreisen leiden, und aus dem Bausektor, der insbesondere von Zahlungsverzögerungen stark betroffen ist.

Grundlagen-Risiken treten an die Stelle globaler Fragen

Die Risikoeinschätzung der Unternehmen ist laut der Fachleute Ausdruck dafür, dass sie sich an globale Schocks gewöhnt haben. „Der Fokus liegt wieder auf Grundlagen – Schulden managen, Arbeitskosten steuern, kritische Systeme sichern, stabile und effiziente Produktion gewährleisten.“ Unternehmen sehen potenzielle Risiken prioritär in höheren Zinsen und Cyberangriffen, danach folgen neue Regulierungen, Störungen der Lieferketten, Fachkräftemangel, Geopolitik, Zugang zu Finanzierung und Folgen des Klimawandels.

Politische Massnahmen zielen auf das Zahlungsverhalten ab

Politisch gibt es laut der Einschätzung Ansätze für Optimismus, wenngleich dieser Herbst noch Steuererhöhungen bringen könnte. Zahlungssicherheit dürfte auf Basis jüngster Entscheidungen steigen: Angeführt werden etwa erweiterte Berichtspflichten in Bezug auf die Zahlungspraxis, die seit Anfang 2025 gelten. Die Regierung habe zudem weitere Massnahmen vorgeschlagen, etwa die Einführung maximaler Zahlungsfristen von vorerst 60 Tagen und später 45 Tagen. 75 Prozent der Unternehmen verknüpfen mit diesen Vorschlägen die Hoffnung, dass Vertrauen und Investitionen gestärkt werden. Kleinst- und Kleinunternehmen teilen die Begeisterung für die geplanten Vorhaben weniger – vermutlich, so Coface, weil diese in schwierigen Phasen selbst Zahlungen verzögern müssen.

Geschäftsklima hellt sich auf

Für die Zukunft erwarten 37 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung der Zahlungssituation, darunter sind vor allem mittlere und grosse Unternehmen. Der ICT-Sektor zeigt sich besonders optimistisch. 30 Prozent rechnen damit, dass der negative Trend sich fortsetzt. Einheitlicher ist der positive Blick auf die generelle wirtschaftliche Entwicklung, der mit 47 Prozent fast von der Hälfte der Unternehmen geteilt wird. Ähnlich hoch ist der Anteil, der auch mit einem besseren globalen Geschäftsumfeld rechnet. Knapp 50 Prozent der exportorientierten Unternehmen haben die Europäische Union (EU) im Visier, 47 Prozent die USA und 12 Prozent China.

Die Exportchancen beeinflussen gemäss der Fachleute auch massgeblich die Standortwahl: Mit 55 Prozent hat mehr als die Hälfte bereits ihre operativen Tätigkeiten verlagert oder sind gerade dabei – zu 38 Prozent in die EU, 37 Prozent in die USA. Laut Coface ist der Anteil von 12 Prozent der Unternehmen bemerkenswert, der nach Indien verlagert.

Grossbritannien ist für Schweizer Dienstleistungen essenziell

Die Situation ist gerade deshalb für die Schweiz relevant, weil Grossbritannien nach den USA und Deutschland den drittwichtigsten Handelspartner bei Dienstleistungen darstellt. Gemäss Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) wurden 2023 Dienstleistungen im Wert von jeweils 12,6 Milliarden Franken importiert und exportiert. Im Gegenzug liegt die Schweiz für Grossbritannien auf Platz 7. Auch bei Direktinvestitionen gibt es enge Verbindungen: Die Schweiz landete 2023 in diesem Bereich auf Rang 8 und Grossbritannien in der Schweiz auf Rang 7. Dabei dürften laut Coface europäische Handelspartner angesichts der US-Zollpolitik und globaler Spannungen perspektivisch sogar noch an Bedeutung gewinnen. Denn auch die Schweiz steht unter Druck. Im aktuellen Coface-Risikobarometer erhält die Schweiz zwar weiterhin die Bestnote von A1, doch die Risiken für Branchen wie Automotive und Metall werden neuerdings als extrem hoch eingeschätzt.
 

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